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Ehrenmorde bis 2000

Hatice M.

geboren: 1967
erschlagen: Februar 1996
Wohnort: Trappenkamp (nahe Kiel)
Herkunft: Türkei
Kinder: Opfer: sie war schwanger; Täter 3 (darunter das Opfer)
Täter: ihr Vater Ramazan M. (zur Tat 54 J.)

Man kann diesen Mord als Ehrenmord lesen – oder als Mord zur Vertuschung eines Missbrauchs. Zur Geschichte: Mit 17 Jahren wird Hatices Mutter Ayse in der Türkei an den 7 Jahre älteren Ramazan (vermutlich ein Cousin) zwangsverheiratet. 3 Kinder kommen zur Welt, die Familie lebt halb in der Türkei, halb in Deutschland. Irgendwann zieht die Familie nach Trappenkamp, südlich von Kiel.

Der Vater missbraucht seine älteste Tochter. Sie wird schwanger. Er erschlägt sie mit einer Rohrzange. Die Leiche vergräbt er in einer angemieteten Garage. Zur Tat ist die Mutter zur Kur. Nach ihrer Rückkehr erzählt man ihr, die Tochter sei abgeschoben worden. Tatsächlich war ihr Touristen-Visum abgelaufen. Allerdings muss auch die Mutter bald geahnt haben, dass ihre Tochter nicht in der Türkei ist, sondern tot. Ramazan erzählt später, sie sei bei einem Erdbeben ums Leben gekommen.

Bei der Tat musste die jüngere Schwester Sema Schmiere stehen. Der Vater zwingt sie zu schweigen und droht ihr andernfalls mit Mord. Er hatte ihr die Tötung wohl auch angekündigt, was belegt, dass die Tat geplant war. Offenbar kann der Täter sich darauf verlassen, dass Sema nicht zur Polizei geht und auch sonst keine Hilfe holt, zum Beispiel von Lehrern oder vom Bruder.

Semas Mann Yavuz ist der, der die ganze Geschichte 15 Jahre später ins Rollen bringt, weil er die Geheimhaltung nicht akzeptiert.

Im Oktober 2010 erstattet die Zahnarzthelferin Sema Anzeige. Ende des Jahres werden Knochenreste und Zähne in der Garage gefunden.

Das Landgericht Kiel eröffnet den Prozess im Juni 2011. Der Angeklagte lässt einen Dolmetscher übersetzen. Tochter Sema belastet ihren Vater schwer. Sie berichtet von einer Situation, in der der Vater ihr habe zeigen wollen, wie er Hatice bestrafe und vor den Augen der einen Tochter die andere Tochter vergewaltigt. Sie habe damals gedacht, er dürfe das.

In Ramazans Prozess ist auch die Rede von Gewalt und Brutalität gegen seine Frau Ayse und seinen Sohn Harun. Die Verteidigung versucht, ein Urteil auf fahrlässige Tötung und damit Verjährung zu erreichen. Der inzwischen 69jährige Ramazan wird wegen Mordes noch im Juni zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Frau reicht die Scheidung ein.

Um die Eingangsfrage zu beantworten: Wenn Ramazan seine Tochter umbringt, um den Missbrauch zu vertuschen, ist das genau genommen kein Ehrenmord. Im Zusammenhang der Familie gibt es aber deutliche Anzeichen dafür, dass es Ramazan vor allem um eins ging: Den Machtanspruch des Mannes in der Familie um jeden Preis durchzusetzen - was ein Ehrmotiv ist. Der Mann bestimmt über Leben, Sexualität und Tod seiner Tochter.

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