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Ehrenmorde 2005

Hatun Sürücü

geboren: 1982
erschossen: 7. Februar 2005
Wohnort: Berlin
Herkunft: Türkei / Kurden
Kinder: 1 Sohn, Can (geb. 1999)
Täter: Ayhan, ihr jüngster Bruder, Kurde, zur Tat 18 J., in Deutschland geboren

Mit 15 Jahren wird Hatun Sürücü von ihrer kurdischen Familie, die in Berlin lebt, an einen Cousin in der Türkei verheiratet. Zwei Jahre später trennt sie sich und kehrt schwanger nach Berlin zurück. Sie legt ihr Kopftuch ab, macht einen Schulabschluss und eine technische Ausbildung. Und sie erzieht ihren Sohn Can, bis ihr jüngster Bruder sie an einer Bushaltestelle in Berlin-Tempelhof erschießt.

Bald darauf legt der Schütze ein Geständnis ab. Vor Gericht muss geklärt werden, ob er Mittäter hatte. Denn die Exfreundin des Mörders – die mittlerweile im Zeugenschutzprogramm und unter geheimer Adresse lebt – sagt aus, dass der Auftrag zum Mord aus dem Familienclan kam. Als Schütze wurde der Jüngste ausgewählt, weil er noch unters Jugendstrafrecht fällt (bei Tätern zwischen 18 und 21 Jahren kann noch Jugendstrafrecht angewendet werden). Einer der Brüder besorgte die Waffe.

In erster Instanz hält der Richter die Aussage dieser Zeugin für nicht glaubwürdig und spricht die beiden älteren Brüder Mütlü und Alpaslan frei. Allerdings hebt der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig im August 2007 die Freisprüche auf. Im November 2007 beantragt die Staatsanwaltschaft Berlin Haftbefehle für die beiden. Aber die Brüder sind seitdem in der Türkei.

Der Mord an Hatun Sürücü ist der bislang bekannteste Ehrenmord in Deutschland. Er löste die Debatte um Ehrenmorde, Zwangsheirat und Parallelgesellschaft mit aus.

Ein Dossier der Süddeutschen Zeitung zum Thema Ehrenmord nennt noch einen anderen Aspekt des Falls. Vor Gericht berichten mehrere Zeugen von sexuellem Missbrauch in Hatuns Familie. Welcher der Brüder sie missbraucht haben soll, ist unklar, Mutlu und Alpaslan werden genannt. Die ganze Familie soll davon gewusst haben. Sollte das zutreffen, könnte es ein weiteres Motiv für den Mord sein. Denn damit würde auch diese Schande aus der Welt geschafft. Für sexuellen Missbrauch wird in fundamentalistischen muslimischen Kreisen nicht der Täter, sondern das Opfer bestraft. Denn es ist die Frau, die außerehelichen Sex gehabt hat.

Im Sommer 2011 erscheint ein sehr gut recherchiertes Buch über den Fall: "Ehrenmord: ein deutsches Schicksal"

Im Juli 2013 übergibt die Berliner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungsakten an die türkischen Behörden. Möglicherweise wird doch noch die Tatbeteiligung der beiden älteren Brüder nachgewiesen. Im Juli 2014 wird der verurteilte Bruder Ayhan aus der Haft entlassen und in die Türkei ausgeliefert. Im Sommer 2015 erhebt die türkische Staatsanwaltschaft Anklage gegen die beiden älteren Brüder.

Die Generalstaatsanwaltschaft Istanbul erhebt 2015 Anklage, Anfang 2016 stehen die Brüder wieder vor Gericht. Etwa ein Jahr lang passiert nichts in dem Prozess, doch die Türkei verändert sich nach dem angeblichen Putsch im Sommer 2016. Der Staatsanwalt wird ausgetauscht. Die Ausreisesperre für die angeklagten Brüder wird aufgehoben. Theoretisch können sie nach Deutschland zurückkommen und sich an Prozessbeteiligten rächen.

Nicht unbedingt überraschend werden die Brüder im Mai 2017 freigesprochen. Doch im August heißt es, der Staatsanwalt habe gegen das Urteil Beschwerde eingelegt.

Einer Beschwerde des türkischen Familienministeriums wird im Februar 2018 stattgegeben. Angeblich soll der Prozess neu aufgerollt werden. Der Berliner Senat kündigt an, eine Brücke in Neukölln nach Hatun Sürücü zu benennen.

Links

www.zeit.de
www.spiegel.de
Morgenpost
Wikipedia

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