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Ehrenmorde bis 2000

Waffa

geboren:1976
erdrosselt: 29. August 1993
Wohnort: Bonn
Herkunft: Syrien
Kinder: ein damals einjähriges Kind, das im Kinderheim lebte
Täter: ihr Vater Ali (wohl zusammen mit zwei Neffen). Er bekam die deutsche Staatsbürgerschaft, bevor der Mord aufgedeckt wurde.

1993 erdrosseln Waffas Vater und zwei seiner Neffen die 17-Jährige wegen ihres angeblich unangepassten Lebensstils. Um das Verschwinden des Mädchens zu vertuschen, schreibt der Vater einen Brief ans Bonner Jugendamt und teilt mit, seine Tochter sei ausgezogen. Da sie 17 Jahre alt ist, findet das Jugendamt das vermutlich nicht weiter auffällig. Das Mädchen (das in einigen Artikeln auch Samira genannt wird) gilt seitdem als „unbekannt verzogen“. Der Mord wird erst 2007 publik. Hauptzeugin ist ihre zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung 35-jährige Schwester Nourig. Sie hatte damals die Leiche auf der Couch ihres Vaters gesehen – das Seil noch um den Hals. Ihr Neffe hatte gesagt, dass das auch ihr blühen könne.

Aus Angst um ihr Leben verschweigt Nourig, was sie gesehen hat. Erst viele Jahre später lüftet sie in einer Therapie das Geheimnis ihrer Familie. Sie geht zur Polizei. So wird der Fall erst 14 Jahre später, ab Oktober 2007, vor dem Bonner Landgericht verhandelt. Bei seiner polizeilichen Vernehmung gesteht der Vater (65 J.) die Tat, widerruft sein Geständnis aber später. Vor Gericht schweigt er, ebenso wie einer der beteiligten Neffen Ramadan (39 J.). Beide Täter sind inzwischen deutsche Staatsbürger. Der andere Neffe flieht nach Syrien.

Allerdings erscheint Nourig zunächst nicht vor Gericht. Sie ist (oder war) im Zeugenschutzprogramm und schwebt in großer Gefahr. Da sie seit Jahren keinen Kontakt zu ihrer syrisch-kurdischen Familie hat, weiß niemand so recht, wie sie aussieht. Aber man hat ihren Exmann bereits um ein neueres Foto gebeten. Es kann sein, dass ihre Familie nach ihr sucht, um sie ebenfalls zu ermorden.

Im November 2007 wird Ramadan zunächst aus der Untersuchungshaft entlassen, vor allem, weil immer noch die Aussage von Nourig fehlt. Im Januar 2008 wird sie per Videoschaltung befragt. Sie ist durch Maske und Perücke unkenntlich gemacht.

Im Prozess ist zu erfahren, dass Waffas Mutter früh gestorben ist und der Vater sich eine neue Frau aus Syrien holte, die so alt wie seine Tochter Nourig war. Um Waffa zu kontrollieren, wurde sie bei einem erzwungenen Aufenthalt in der Türkei gegen ihren Willen verheiratet.

Am 31. März 2008 wird Waffas Vater zu acht Jahren Haft wegen Totschlags seiner Tochter verurteilt. Der Neffe Ramadan (der als treibende Kraft hinter der Tat gilt und den Vater dazu gedrängt haben soll) wird freigesprochen.

Die Leiche von Waffa ist bislang nicht gefunden. Sie soll bei einer Mühle in Asbach bei Bonn vergraben sein. Der Vater soll damals in dieser Region auf verschiedenen Baustellen gearbeitet haben.

Im September 2010 veröffentlicht Nourig ihre Geschichte in einem Buch: „Ich bin Zeugin des Ehrenmords an meiner Schwester“. Auf dem Cover sieht man ihr Gesicht und ihren Namen.

Links

www.spiegel.de
www.general-anzeiger-bonn.de

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